Ausstellungseröffnung
Den Opfern gedenken - unsere museale Aufgabe
Ausweislich schriftlicher Quellen waren im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert die jüdischen Mitbürger in Buchen in der Stadtgemeinschaft etabliert. Der Kaufmann Jakob Mayer beteiligte sich überaus aktiv in den kulturtragenden Vereinen. Seine zahlreichen Mundartgedichte geben ein beredtes Zeugnis des öffentlichen Lebens und der handelnden Personen. Albert Lester schildert das unbehelligte jüdische Leben innerhalb der Bürgerschaft in seinen Kindheitserinnerungen. Ludwig Schwerin verbrachte Kindheit und Jugend in Buchen. Er war Gründungsmitglied beim legendären Bleckersclub.
All dies ist niedergeschrieben in den Veröffentlichungen des Vereins Bezirksmuseum e.V. Buchen: in vielen Wartturmausgaben der vergangenen Jahrzehnte sowie in Beiträgen in der Schriftenreihe „Zwischen Neckar und Main“. Erst in jüngerer Zeit wurde das Leben und das Schicksal der jüdischen Bürger in den Sonderausstellungen „Kurz stillhalten, bitte – Porträtaufnahmen jüdischer Menschen von Karl Weiß„ sowie „Buchen im Rad der Zeit –stadtgeschichtliche Ausstellung zum Jubiläum 1250 Jahre Buchen“ behandelt.
Die Stadt Buchen hat die Aktion „Buchen gedenkt“ ins Leben gerufen.
Rund 100 Frauen und Männer, die in der Stadt Buchen oder den heutigen Stadtteilen geboren wurden und/oder eine Zeitlang gelebt haben, kamen durch die nationalsozialistische Verfolgung ums Leben.
Um an alle diese Menschen zu erinnern und würdig zu gedenken, hat der Buchener Gemeinderat im Januar 2024 ein Gedenkprojekt beschlossen.
Der Verein Bezirksmuseum begrüßt die städtische Initiative ausdrücklich und unterstützt sie im Rahmen seiner Möglichkeiten und unter Verwendung seines umfangreichen Fundus. Aktuell zeigen wir in diesem Zusammenhang in der Sonderausstellung „Ein Künstlerleben – Ludwig Schwerin (1897-1983) von Deutschland nach Israel“ den Lebensweg und das künstlerische Werk von Ludwig Schwerin.
Der Maler und Grafiker Schwerin wurde 1897 als Sohn des damaligen jüdischen Religionslehrers Jakob Schwerin in Buchen geboren, wo er aufwuchs und viele Jahre lebte. 1919 begann er in Karlsruhe an der Landeskunstschule sein Studium, wechselte 1921 zur Akademie der bildenden Künste nach München.
Seit 1932 lebte er in Berlin und emigrierte 1938 über die Schweiz nach Palästina. In Ramat Gan bei Tel Aviv lebte und arbeitete der Künstler bis zu seinem Tod im Jahre 1983.
Das Bezirksmuseum hat die wohl umfangreichste Sammlung von Werken von Ludwig Schwerin in der Bundesrepublik zu Eigen. Die Kuratoren von Ausstellungen in Karlsruhe 2022 oder in München 2007 haben sich bei uns aus Leihgaben bedient. Das Bezirksmuseum hat Ludwig Schwerin bereits 1997 aus Anlass seines 100. Geburtstags die Sonderausstellung „Von Deutschland ins „Land der Väter (Israel)“ mit dem Themenschwerpunkt seiner Schaffensperiode in Israel gezeigt.
Die Person Ludwig Schwerin ist als unser jüdischer Mitbürger von großem musealem Interesse. Sein künstlerisches Wirken in Deutschland bis 1938 und dann im neuen Staat Israel ist beachtenswert. Für uns in Buchen ist Ludwig Schwerin aber darüber hinaus ein Mensch, dem wir Respekt entgegenbringen. Bis zu seinem Tod ist er versöhnlich und aufgeschlossen seiner Heimatstadt verbunden geblieben, obwohl die Shoa auch in seinem familiären und persönlichen Umfeld Opfer gefordert hat. Ludwig Schwerin wie auch sein älterer Bruder Alfred, Albert Lester oder Kurt Rosenbaum zeichnen sich mit ihrer bis an ihr Lebensende gepflegten Verbundenheit zu ihrem Geburtsort durch menschliche Größe aus, die unsere Wertschätzung verdient.
In seinen Lebenserinnerungen schildert Ludwig Schwerin das Leben im Kleinstädtchen Buchen in seiner Kindheit und Jugend. Keine Spur von Rassenhass oder Ausgrenzung sind in seinen Aufzeichnungen zu finden. Drei Jahre war er im ersten Weltkrieg im Kriegseinsatz ganz vorne am Kampfesgeschehen an der Westfront. Davon berichtet auch Hermann Wittemann, der sich mit seinem Freund Ludwig Schwerin in Gefechtspausen getroffen hat. Wir finden Skizzen von ihm in einem Poesiealbum aus der Nachkriegszeit zusammen mit Arthur Grimm, Wilhelm Guntermann oder Kurt Karl Eberlein.
Dann der Bruch. In Berlin erlebte er die zunehmenden Repressalien des verbrecherischen Regimes. Glücklicherweise konnte seine Ehefrau Margret 1936 ins gelobte Land Palästina ausreisen. Was Ludwig Schwerin in den beiden folgenden Jahren in Berlin durchlebte, schrieb er nieder. Ein Leben zwischen Hoffen und Bangen, voller Ungewissheit und dem quälenden Bewusstsein, was folgen wird, sollte die erhoffte Ausreise nicht mehr möglich sein.
Der Bericht macht uns fassungslos und betroffen. Deshalb fühlen wir uns schon lange dem Gedenken an Ludwig Schwerin verpflichtet und wollen erneut museales Zeichen setzen mit unserer erneuten Sonderausstellung in Unterstützung der aktuellen Aktion „Buchen gedenkt“ durch die politische Gemeinde.